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Was also soll Sybille Thomsen
anderes malen als das, was sie bewegt? Was also sollen wir anderes in
ihren Bildern sehen als das, was sie bewegt?
Die Anwort lautet: Wir sollen sie so sehen! Um das zu können muss
man wissen, wir ihre Bilder, wo ihre Bilder entstehen; Bilder, die so
wild und großflächig sind; Bilder, die so übervoll und
quälend quellend voller Farben sind; Bilder, in denen sich ein Mensch
nach dem sehnt, was er als Paradies empfindet. Solche Arbeiten entstehen
ohne Atelier, wie bei vielen anderen Malern aller Jahrhunderte zwischen
Tür und Angel, Tisch und Bett. Wer ins Atelier gehen kann, kann aus
einer Welt in eine andere gehen, vielleicht ist das eine Flucht. Wer bei
sich malt, muss nicht nur bei sich sein, wenn er außer sich ist
- welchen Gefühls auch immer-, er muss das auch aushalten. Das
ist Sybille: 1 Katze, 60 Bilder, 1 Snowboard, 1 Tauchausrüstung,
geboren vor langer Zeit in München, gelebt in Karlsruhe, München,
Berlin, wohnend nun am Starnberger See. Der Wunsch, Kunst zu studieren,
wurde nicht erfüllt, und nun ist die Malerei bevorzugte (Neben-)Beschäftigung.
Berufe: Arzthelferin, Mutter und Hausfrau, Taxiunternehmerin, LKW-Fahrerin
und Möbelpackerin, kurzzeitig Fitness-Trainerin, Umschulung zum
Medien-Designer, jetzt an der LMU beschäftigt als Sekretärin bei Medieninformatik.
Das ist Sybille: Sie hat dieses Land von Westen nach Osten kennen gelernt,
sie hat erfahren, was es bedeutet, wenn elementare Wünsche unerfüllt
bleiben. Und sie hat gezeigt, dass sie sich nicht beugen will:
Die Behauptung in ihrer Miniaturbiografie, das neue Betätigungsfeld
heiße Medien-Design", diese Behauptung ist nur eine Umschreibung
dafür, dass sie ihrem Ziel, zu tun was sie muß immer näher
kommt:
Dem Malen.
Sie will es nur nicht sagen. Damit sind wir - endlich, werden Sie
sagen - bei den Bildern der Künstlerin, die heute zeigt, wie es um
sie steht. Denn ihre Bilder sind Bekenntnisse:
Sie sind Bekenntnisse ihrer Sehnsucht nach dem Paradies, das sie schon
jetzt haben möchte. Sie hat es - ich bin versucht, Gott sei Dank
zu sagen - nocht nicht: Sonst bleiben uns die roten Fluten der Wut und
des Begehrens vorenthalten. Wir könnten nicht die Ekstase der Leiber
und die Ausbrüche der Seele in Violett und Blau, im wild auffahrenden
Pinselstrich sehen. Wir müßten der Verletztheit entbehren,
die ihre wie die unsere ist, wo im überstrahlenden Gelb von uns ihr
ein kleiner, blutiger Rest bleibt. Wir würden nie erfahren, dass
das Leben sich auf einer Bühne abspielt, zu der Sybille Thomsen die
Kulissen malt. Im Aktbild glänzt die hingerissene Begierde, in der
Aktzeichnung begrenzt die Kulisse die Menschenform: Da haben wir wieder
die beiden Extreme, die seit Menschengedenken die zwei Seelen in unserer
Brust sind.
Thomas Wellens / Münchner Merkur
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